Beim Schauen der sechsten und siebten Staffel von Star Trek: Voyager, an die ich vor zwei Wochen gekommen bin, sind mir ein paar Dinge aufgefallen, die mich zum Nachdenken angeregt haben. Dies sind die Frage nach dem kollektiven Bewusstsein (oder eben nicht?) der Borg, die Frage nach Individualität, Menschlichkeit, und allem, was eine Person (?) ausmacht, und zu guter letzt die Frage nach der treibenden Kraft, also der Motivation für die Voyager-Crew bzw. die Sternenflotte insgesamt. Während die erste Frage natürlich rein fiktiver Natur ist, lassen sich die zweite und dritte Frage meiner Meinung nach auch in der Realität stellen, und sind (oder sollten?) auch hier durchaus relevant sein.
Zunächst mal ganz „nerdy“ zu meinem Lieblingsfeind im Star Trek-Universum: Den Borg. Ich bin nicht mehr ganz sattelfest, was TNG angeht, aber wenn ich mich nicht irre (und auf Grund der Art, wie auch in Voyager über die Borg gesprochen wird, liege ich da wohl nicht falsch) werden die Borg als eine Rasse mit einem kollektiven Bewusstsein „vorgestellt“. Das heißt, dass alle Mitglieder im Borgkollektiv dasselbe (und nicht bloß das gleiche!) denken, und dementsprechend wie viele Glieder eines Körpers handeln. Soweit so gut. Nun ist es schwer, aus einer unbestimmten Anzahl mehr oder weniger gleicher Drohnen, die nur gewöhnt sind, im Kollektiv zu arbeiten, eine auszuwählen, die als Sprachrohr für alle bei Verhandlungen (und sei es nur das Diktieren einer Kapitulation) dient. Hier wäre etwas mehr „Persönlichkeit“ wohl von Vorteil. Dementsprechend scheint es auch in gewisser Weise verständlich zu sein, dass die Borg Picard assimilieren, ihm dabei aber noch einen Funken Eigenständigkeit zu lassen, um ihn als „Botschafter“ zu verwenden und der Erde die bevorstehende Assimilation zu „verkünden“. Zumindest hebt er sich optisch irgendwie vom Rest ab und – und das ist schon wichtiger – hat einen Namen: „Locutus“, vom lateinischen Verb loqui („sprechen“) abgeleitet. Naja ok, es ist eigentlich überflüssig, die Borg könnten auch ohne Ankündigung alles assimilieren (haben sie ja vorher auch gemacht), aber als eine Art personaler Vertreter des Kollektivs (ein bisschen so wie der „Mund Saurons“) kann man das schon durchgehen lassen.
Nun taucht in „Star Trek: Der erste Kontakt“ aber in gewisser Weise ein Problem auf: Die Borg-Königin. Sie fungiert nicht mehr bloß als eine Art Sprachrohr für das Kollektiv. Vielmehr hat sie offensichtlich eine Führungsrolle im Kollektiv inne. Damit kommen erste Zweifel am Wesen der Borg als Kollektiv auf. Musste man sich die Borg bisher als eine Art Ultrademokratie vorstellen, in der jede noch so kleine Entscheidung von allen zusammen getroffen wird, so scheint hier eine einzelne Figur aufzutreten, die in der Lage ist, allen anderen Entscheidungen zu diktieren. Damit wären die Borg kein gemeinsam denkendes Kollektiv mehr, sondern mehr (und das passt zum Namen „Borg-Königin“) eine Art absolute Monarchie (von mir aus auch Diktatur, aber dann geht’s nicht mehr so schön mit dem Namen zusammen). Einziger Ausweg aus dieser Deutungsmöglichkeit: Man stellt sich die Borg-Königin als eine Art Manifestation des „Geistes“ (also der Entscheidungen treffenden Instanz des kollektiven Bewussteins) vor.
Jetzt kommen wir zu Voyager: Hier klappt diese Umdeutung der Figur der Königin (meiner Meinung nach) nun irgendwie nicht mehr: Die Borg-Königin handelt nun nicht mehr bloß als Vertretung des Ganzen, vielmehr entwickelt sie eine Persönlichkeit und spricht, während sie in „First Contact“ noch von „wir, die Borg“ sprach, nun von sich selbst in der Ich-Form („Ich kann … nicht hören“). Sie verhandelt mit Janeway über die Reise der Voyager durch Borg-Gebiet und schließt mit ihr Abkommen zum Kampf gegen Spezies 8472 ab. Weiterhin scheint sie ein persönliches Interesse an Seven of Nine zu haben (sie bezeichnet Seven als eine ihrer „Lieblinge“) und verschont eigenen Aussagen zufolge deshalb die Voyager. Weiterhin tötet sie als Druckmittel gegenüber Janeway nach Lust und Laune eigene Drohnen, was dem Kollektiv eher schaden als nützen dürfte. Weiterhin erteilt sie (allein!?) dem Kollektiv (bzw. einem Kubus), welches die Voyager angreifen will, den Befehl, dies nicht zu tun. Würde das Kollektiv als ein Bewusstsein denken und handeln, dann wäre eine solche Kommunikation völlig überflüssig, bzw. könnte überhaupt nicht stattfinden! Dies alles klingt nicht mehr sehr nach einem großen, bloß auf den eigenen Vorteil bedachten kollektiven Bewusstein, sondern viel mehr nach einem recht exzentrischen Alleinherrscher, der mit seinen Untergebenen machen kann, was er will. Man muss also wohl von den Borg nicht mehr als ein kollektives Hive-Bewusstsein, sondern vielmehr als eine Menge im kollektiven Bewusstsein verbundenen Drohnen, welche von einer ebenfalls an dieses Bewusstsein angeschlossenen Königin gesteuert werden, sprechen.
Problem am Rande: In „First Contact“ stirbt diese Königin, in Voyager ist sie wieder da. Wie das? Keine Ahnung. Würde man sie als Manifestation des Hive-Bewusstseins sehen, wäre es natürlich ganz logisch, dass einfach eine neue Königin „gebaut“ wird. Auf Grund oben angeführter Verhaltensweisen der Königin scheint mir dies aber nicht wirklich zu funktionieren. Die Frage bleibt also offen.
Die nächsten Fragen kommen bald…