Shootout: Kameragurte

Wenn es neben der Tasche ein Teil der Fotoausrüstung gibt, mit dem man eigentlich nie so richtig zufrieden ist, dann ist es der Kameragurt. So werden Spiegelreflexkameras zwar ohnehin mit etwas breiteren Gurten ausgeliefert, aber sobald etwas mehr Gewicht (lichtstarkes Objektiv, Batteriegriff, Aufsteckblitz) an der Kamera hängt, streikt selbst der stärkste Nacken. Der Gurt schneidet dann ziemlich ein, weil er kaum bis gar nicht gepolstert ist, und durch das unflexible und nicht dehnbare Material haut jedes Schwingen und Wippen der Kamera voll ins Genick.

Sun-Sniper Strap. Foto: amazon.de

Als ersten ‚besseren‘ Gurt habe ich mir vor einigen Monaten einen Sun-Sniper Strap „The Steel“ zugelegt. Es handelt sich dabei um eine Art „Sling-Gurt“, d.h. die Kamera wird nicht wie üblich um den Hals gehängt, sondern quer über die Schulter gehängt getragen. Damit wird vor allem der Nacken entlastet, weil das Gewicht der Kamera nicht mehr von ihm allein getragen, sondern über die Schulter auf den gesamten Oberkörper verteilt wird. Durch das enorm dicke und weiche Polster schneidet der Gurt auf der Schulter auch nicht ein, und plötzliche Stöße oder starkes Wippen der Kamera werden durch ein eingearbeitetes, flexibles Neopren-Element wirksam abgefedert. Besonderer Clou an der „Steel“-Version des Gurtes ist das eingearbeitete Stahlseil. Dieses soll verhindern, dass Langfinger unterwegs einfach den Gurt durchschneiden können und mit der Kamera verschwinden. Da die Kamera nicht am Gurt fixiert ist, sondern über einen ‚gleitenden‘ Karabinerhaken am Gurt gehalten wird, kann man sie blitzschnell von der Trageposition nach oben ziehen und sofort losfotografieren. Das ganze hört sich nicht nur in der Theorie gut an, es funktioniert auch hervorragend. Selbst schwer bestückte Kameras lassen sich problemlos stundenlang tragen, ohne dass man Nacken- oder Rückenschmerzen bekommen würde. Und durch den gleitenden Karabiner hat man die Kamera immer sofort griffbereit zum Fotografieren.

Es gibt aber auch ein paar Nachteile dieses Gurtsystems: Das ganze trägt sich nur dann gut, wenn man sonst nichts umhängen hat. Wenn man eine Umhängetasche oder – noch schlimmer – einen Rucksack auf den Schultern hat, kollidiert der Sun-Sniper ständig damit und verrutscht permanent. Außerdem lässt sich die Kamera (insbesondere mit Rucksack) nicht mehr schön lässig leicht hinter dem Körper tragen, sondern wird andauernd nach vorne gedrückt, wo sie einem dann etwas unpraktisch ‚in den Schritt‘ baumelt. Ein weiterer Negativpunkt ist der, dass der Gurt nicht an den normalen Gurt-Ösen befestigt wird, sondern mit Hilfe einer speziellen Schraube im Stativgewinde auf der Unterseite der Kamera angebracht wird. Das bedeutet, dass man – insbesondere bei Verwendung eines Batteriegriffs – besser keine Hochformataufnahmen machen sollte. Ansonsten hat man nämlich diese störende Schraube in der Hand, bzw. muss irgendwie um sie herum greifen. Weiterer Nachteil dieser Schraubenkonstruktion: Das Stativgewinde ist belegt, so dass man Schnellwechselplatten für Stativköpfe nicht mehr ohne Weiteres angeschraubt lassen kann. Ich habe mir da aber beholfen, indem ich den Karabiner vom Gurt nicht an der mitgelieferten Schraube, sondern in der Festschraub-Öse meiner Manfrotto-Schnellwechselplatte (200PL 14) eingehakt habe. Das hat auch einwandfrei funktioniert, der Karabiner hatte nur nicht mehr ganz so viel Spiel wie in der Standardschraube, was dann beim Fotografieren im Hochformat noch hinderlicher war. Angeblich soll hier übrigens die Gefahr bestehen, dass sich die Öse der Schnellwechselplatte aufbiegen kann und die Kamera dann den Weg Richtung Fußboden antritt, von daher rate ich davon ab, dass einfach so unbedacht nachzuahmen – auch wenns bei mir nie ein Problem gab. Um zu verhindern, dass sich die Schraube bzw. die Schnellwechselplatte unterwegs lockert, habe ich sie übrigens mittels Liqui-Moly Schrauben-Sicherung (aka Locktite) gesichert. So saß die Schraube bombenfest, konnte aber problem- und rückstandslos wieder entfernt werden.

Da ich in aller Regel mit mindestens einer Schultertasche, oft auch mit Rucksack unterwegs bin, wuchsen sich die gerade geschilderten Nachteile zu einem konstanten Ärgernis aus, welches dazu führte, dass ich den Sun-Sniper – außer auf Events oder im Home-Studio – fast gar nicht mehr verwendet habe. Ich war daher seit einiger Zeit auf der Suche nach einem alternativen Gurt. Dieser sollte vor allem folgende Eigenschaften haben:

  • Er sollte so lang sein, dass ich die Kamera quer über die Schulter tragen kann,
  • er sollte aus Sicherheits- und Schnellwechselplattenkompatibilitätsgründen an den Standard-Gurt-Ösen befestigt werden,
  • er sollte gut polstern und eventuelles Wippen der Kamera abfedern
  • und er sollte im Idealfall schnell (zumindest teilweise) abnehmbar sein, falls man zu Hause oder auf dem Stativ nicht einen ewig langen Gurt rumbaumeln haben möchte.
OP/Tech Super Classic Strap. Foto: amazon.de

All diese Punkte erfüllt der OP/Tech Super Classic Strap weitestgehend vorbildlich. Es handelt sich dabei um einen „normalen“ Kameragurt, der aber so lang ist, dass ich (bei ca. 1,85 Körpergröße) die Kamera problemlos quer über die Schulter hängen kann. Natürlich kann ich den Gurt auch um den Hals tragen, falls das auf Grund einer Schultertasche oder eines Rucksacks notwendig sein sollte (das ist beim Sun-Sniper auf Grund der speziellen Form des Polsters nicht möglich). Der Gurt besteht außerdem aus drei Teilen: Dem weichen und rutschfesten Neoprenpolster und zwei „Connector“-Stücken, also den Nylon-Bändern, welche an der Kamera selbst befestigt werden. Das Polster kann man abnehmen, so dass nur noch die kürzeren Connector-Teile dranbleiben. Diese lassen sich wiederum zusammenstecken, so dass man einen sehr kurzen „Gurt“ erhält, an dem sich die Kamera zur Not tragen lässt, der vor allem aber nicht großartig stört, wenn man ein Stativ verwendet (das Rumgebaumel eines längeren Gurtes nervt da nämlich ziemlich). Das Polster ist, wie bereits erwähnt, aus Neopren. Es ist nicht nur schön weich, sondern vor allem auch relativ flexibel und dehnbar, so dass es von der Kamera ausgehende Stöße und übermäßiges Wippen etwas abfedert. Außerdem ist es auf der Innenseite gummiert, so dass die Kamera auch dann nicht verrutschen sollte, wenn man sie nur locker über eine Schulter gehängt hat.

Kritikpunkte habe ich bisher nur einen entdeckt: Für meinen Geschmack sollte das Längenverhältnis von Polster und Connector-Gurten umgekehrt sein. D.h. wenn ich das Polster abklipse sollten nur ganz kurze Gurt-„Stummel“ an der Kamera bleiben, die dann noch weniger stören würden. Die könnte man dann zwar nicht mehr zu einem Minigurt zusammenstecken, dafür hätte man (aufm Stativ oder so) noch weniger „Gebaumel“. Dafür müsste dann natürlich das Polster länger sein bzw. längere Gurt-Enden haben (was aber im abgeklipsten Zustand ja nicht weiter stören würde). Ansonsten macht das Teil aber einen äußerst durchdachten und bequemen Eindruck. Der erste ‚Härtetest‘ steht morgen auf einem Event an, welches ich fotografisch begleite. Mal sehen, wie sich der OP/Tech-Gurt schlägt…

Eine Antwort auf „Shootout: Kameragurte“

  1. Gar nicht so einfach, den perfekten Kamergurt zu finden. Ich habe einige ausprobiert, unter anderem auch den Blackrapid und Sun Sniper, die ich alle wieder zurückgeschickt habe. Eben aus den Gründen die Du hier beschrieben hast. Jetzt habe ich wieder meinen OP/Tech-Gurt mit Schnellsteckverschlüssen dran. Für mich das beste System um flexibel fotografieren zu können.

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